Wir sind da, um zu helfen: ESRAs Einsatz in Krisenzeiten

07.12.2023

In Reaktion auf die Terroranschläge am 7. Oktober zeigt ESRA, wie entscheidend schnelle und effektive Unterstützung in Krisensituationen sein kann. Im Interview mit dem ärztlichen Leiter Prim. PD Dr. Dr. Benjamin Vyssoki werfen wir einen Blick auf die Maßnahmen und Herausforderungen, denen sich ESRA gegenübersah, sowie auf ihre Strategien zur Unterstützung.

Benni stand uns Rede & Antwort per Zoom.

Lieber Benni, als der verheerende Terroranschlag am 7. Oktober bekannt wurde, wie hat ESRA reagiert? Welche spezifischen Maßnahmen wurden ergriffen?

Unmittelbar nach den Ereignissen des 7. Oktobers haben wir unsere ESRA-Hotline* aktiviert, um auch am Wochenende und an den Feiertagen für Menschen in Not erreichbar zu sein. Unser multiprofessionelles Team, bestehend aus Kolleginnen und Kollegen aus den Bereichen Pflege, Psychologie, Psychotherapie sowie Fachärzt*innen für Psychiatrie, haben sich freiwillig bereiterklärt, diesen Dienst zu übernehmen. Das ermöglichte es uns, auch Hausbesuche durchzuführen und ärztliche Behandlungen anzubieten.

Als weitere Maßnahme haben wir innerhalb der Gemeinde zahlreiche Vorträge und Fortbildungen durchgeführt und Informationsmaterialien erstellt. Diese beinhalteten unter anderem Anleitungen, wie man mit Kindern über das Thema Krieg spricht, sowie Ratschläge für Erwachsene, um psychische Belastungen zu erkennen und sich selbst in Krisenzeiten zu schützen, um nicht in den Notfallmodus zu verfallen und Überforderung zu vermeiden.

* die ESRA-Hotline war bis Mitte Nov. am Wochenende besetzt, seit dem ist sie wieder zu den regulären Zeiten erreichbar: Mo-Do 8-19 Uhr/Fr 8-14 Uhr

Benjamin Vyssoki

Ärztlicher Leiter - ESRA

Mit welchen Problemen wurde ESRA konfrontiert?

Die Herausforderungen, mit denen wir bei ESRA konfrontiert wurden, waren vielfältig und tiefgreifend. Sie reichten von Menschen, die direkt von den Anschlägen betroffen waren und Familienangehörige verloren hatten, bis hin zu denen, die in Wien leben und durch die Ereignisse stark verunsichert wurden. Viele hatten mit einem tiefgreifenden Gefühl der Bedrohung und Gefährdung zu kämpfen, was dazu führte, dass sich einige nicht mehr aus dem Haus trauten.

Benjamin Vyssoki

Ärztlicher Leiter - ESRA

Ausschließlich Kontext Israel Hilfe - Routinepatient*innen sind nicht enthalten.

Welche Rolle spielt die transgenerationale Traumatisierung in der aktuellen Situation? Wie wirken sich die jüngsten Ereignisse auf Kinder und Jugendliche in der jüdischen Gemeinschaft aus und wie geht ESRA darauf ein?

Die aktuellen Ereignisse haben alle bis ins Mark getroffen und bei vielen eine existenzielle Verunsicherung hervorgerufen. Besonders bemerkenswert ist jedoch die Resilienz, die wir beobachten. Diese psychische Widerstandsfähigkeit, die auch in Israel sichtbar ist, zeigt sich in der Stärke der Gemeinschaft, die in der Krise füreinander einsteht und für eine gemeinsame jüdische Zukunft kämpft.

Trotz der generell hohen Resilienz variiert die Reaktion auf transgenerationale Traumata stark. Wir beziehen uns hier auf das biopsychosoziale Modell, das sowohl Risiko- als auch Schutzfaktoren berücksichtigt. Menschen, die bereits unter belastenden Lebensumständen standen, waren von den Ereignissen natürlich stärker betroffen.

Ein wesentlicher Faktor in der Krisenbewältigung ist das Gefühl, geschützt und unterstützt zu sein, aber auch die Möglichkeit, selbst aktiv zu werden und Hilfe zu leisten. Innerhalb der Gemeinde wurde dies durch verschiedene Aktionen umgesetzt, darunter Spendenaktionen und Hilfspakete für Soldaten und Soldatinnen in Israel.

ESRA hat auch Fortbildungen für Lehrkräfte und Leiter*innen von Jugendorganisationen organisiert, um sie in effektiven Kommunikationsstrategien zu schulen und zu sensibilisieren. Dabei geht es darum, zu erkennen, wann jemand 'nur' belastet ist und ab wann professionelle Unterstützung notwendig wird.

Benjamin Vyssoki

Ärztlicher Leiter - ESRA

Gedenkveranstaltung der IKG-Wien #standwithisrael - die aktuellen Ereignisse haben alle bis ins Mark getroffen. Foto: BKA/Schrötter

Hast Du einen Rat für Gemeindemitglieder, die von den Ereignissen nach wie vor stark belastet sind?

Mein Rat ist definitiv, sich beraten zu lassen und Unterstützung zu suchen. Wir im psychosozialen Gesundheitszentrum der israelitischen Kultusgemeinde Wien sind mit viel Engagement und Freude bereit zu helfen. Seit 29 Jahren bieten wir unsere Dienste komplett kostenlos an. Wir garantieren hundertprozentige Anonymität und Verschwiegenheit und sind dazu verpflichtet. Unser Team ist multiprofessionell, hochkompetent und engagiert.

Neben Unterstützung bei psychischen Belastungen haben wir auch eine hervorragende Allgemeinmedizinerin und eine Fachärztin für Neurologie. Man ist bei uns also mit allen gesundheitsrelevanten Wünschen und Bedürfnissen gut aufgehoben.

Benjamin Vyssoki

Ärztlicher Leiter - ESRA

In dieser herausfordernden Zeit benötigt ESRA mehr denn je unsere Unterstützung. Wir laden Sie herzlich ein, durch Ihre Spenden die wertvolle Arbeit von ESRA zu fördern. Jeder Beitrag, groß oder klein, macht einen Unterschied und hilft, die dringend benötigten Dienste für unsere Gemeinde aufrechtzuerhalten.

Für Beratung und Unterstützung steht Ihnen ESRA zur Verfügung. ESRA kann in schwierigen Zeiten beistehen und bietet eine Vielzahl an Hilfestellungen und Beratungsdiensten.